Sonntag, 22. Januar 2017

Minderwertigkeitskomplexe wegen Mangel an Talenten

Das viele Menschen eine wirklich schlechte Meinung von sich und ihren Talenten haben, ist mir schon vor langer Zeit aufgefallen. Einmal saß ich mit zwei Bekannten in der Sporthalle auf der Bank. Wir waren alle drei verdammt schlimm erkältet und konnten deshalb nicht im Unterricht mitmachen, nicht dass uns das wirklich gestört hat. Ich war ziemlich glücklich eine Ausrede zu haben, um nicht beim Kugelstoßen mitmachen zu müssen. Mal ehrlich Kugel-Stoßen. Was ist denn das für eine Sportart?!
Wir saßen da zu dritt und haben uns über irgendetwas Belangloses unterhalten. Ab und zu haben wir auch den anderen zugeschaut. Ein Mädchen, ich nenne sie mal Anna, hat das ziemlich gut gemacht. Bei ihr sieht das Stoßen einer Kugel fast schon galant aus. Sie ist Leistungsturnerin und ein Ass im Sport. 
Ich schaue ihr gerne zu, wenn sie turnt, weil das bei ihr sehr schön und professionell aussieht. Ich bewundere die Disziplin und Ausdauer und den Kampfgeist. die dahinter stecken. 
Plötzlich äußert sich eine meiner Nachbarinnen dazu. Sie sagte, sie wäre gerne genauso gut im Sport wie Anna. "Hey", entgegnet da promt die andere, "ich wäre gern überhaupt so wie Anna. Sie ist gut in allem, was sie tut. Sie ist gut im Sport, sie hat gute Noten, sie ist intelligent und hat soooo viele Talente. Ich weiß gar nicht, wo meine Talente liegen."
"Ich auch nicht", meint die andere seufzend und fängt an, an den Fingern aufzuzählen, "Serien schauen und Schlafen." 
Ich fühlte mich irgendwie unwohl. So oft ich Anna auch beim Turnen zugeschaut habe, habe ich weder Eifersucht, noch irgendwelche Minderwertigkeitsgefühle verspürt. Ehrlich gesagt habe ich nie Minderwertigkeitskomplexe, wenn ich mit jemandem zusammen bin, der etwas besser kann als ich.
Warum zum Teufel sollte ich? Es wird immer jemanden geben, der bestimmte Dinge besser kann als ich. Und wenn schon! Das spornt mich an. Ich bin lieber von talentierten, erfolgreichen, schönen und glücklichen Menschen umgeben als von deprimierten, hässlichen Versagern. Das ist wie bei Landschaften, man ist lieber in einer schönen Gebirgslandschaft als in einem grauen Moor. Oder mag jemand Sümpfe?
Ein anderes Mal hat mein Freundeskreis über einen Jungen geredet, der sehr gute Noten in naturwissenschaftlichen Fächern hatte. Er gilt als sehr klug und gebildet, wahrscheinlich weil er noch dazu sehr ruhig ist. Ruhige Menschen sind von so einer weisen Aura umgeben, habe ich mal gehört. Eine Freundin sagte, dass sie sich nicht vorstellen könnte mit dem Jungen in einer Beziehung zu sein. Sie würde sich neben ihm immer so dumm und unsportlich fühlen (er spielt Handball in der Stadtmannschaft). Ich habe mich wieder komisch gefühlt und kein Wort gesagt, hab einfach gewartet bis diese ermüdende Diskussion ein Ende fand. Wenn ich jemanden treffe, der klüger ist als ich, verwandele ich mich dann plötzlich in eine dumme Person?
Ich finde es befreiend mit klugen Menschen zusammen zu sein, weil man sich mit ihnen auf Augenhöhe unterhalten kann. Man muss sein Niveau weder senken, noch so tun als wäre man genauso dämlich.
Ich glaube, irgendetwas stimmt mit mir nicht. Wieso bekomme Ich in solchen Situationen nie Minderwertigkeitskomplexe? Vielleicht weil ich keine bekommen muss. Ich bin zufrieden mit mir. Ich kann Menschen aufrichtig Komplimente machen. Ich liebe schöne Menschen. Ich liebe ehrgeizige Menschen, die Disziplin haben und sich anstrengen. Wenn ich das Gefühl habe, dass jemand eine Stufe über mir steht, dann ist das ein Ansporn, sich zu verbessern. Mehr Bücher zu lesen, mehr Sport zu treiben, mehr Disziplin haben, mehr träumen. Was soll ich mit  dummen und faulen Leuten? Im besten Fall halten sie einen zurück, im schlimmsten ziehen sie einen runter auf ihr Niveau.

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